Die besondere Lernleistung – eine Leistung mit Exzellenzanspruch

In den meisten Bundesländern, so auch in Nordrhein-Westfalen, besteht die Möglichkeit, eine besondere Lernleistung im Abitur anrechnen zu lassen. Diese soll, wie der Name schon sagt, etwas Besonderes sein und über das normale Lernen hinausgehen. Allgemein muss man sagen, dass dieses zusätzliche Abiturfach deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt, als sich beispielsweise einer mündlichen Prüfung zu stellen. Aber die Arbeit für diese Leistung bringt den engagierten jungen Menschen eine ganze Menge für ein anstehendes Studium, eine wissenschaftliche Ausbildung oder, wie wir aus eigener Erfahrung sagen können, öffnet Türen und Perspektiven im Rahmen einer gewählten beruflichen Karriere.

Die besondere Lernleistung bietet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, einen besonderen Begabungs- und Interessenschwerpunkt über den Unterricht hinaus zu verfolgen, so dass ihre Selbstständigkeit und Kreativität gefördert und ihre wissenschaftspropädeutische Kompetenz erhöht werden. Die besondere Lernleistung verbindet die Förderung individueller Interessen, Neigungen und Begabungen mit schulischem Lernen. Ihr Thema soll einem oder mehreren schulischen Referenzfächern zugeordnet werden, Lehrerinnen und Lehrer können den Arbeitsprozess begleiten. Im Zentrum aber steht die eigenverantwortliche Gestaltung des Lern- und Arbeitsprozesses, seiner Dokumentation und Präsentation“, heißt es in der Broschüre des Landesinstituts NRW für Schule und Weiterbildung.

In diesem Jahr konnten wir am Gymnasium Nepomucenum erneut drei sehr engagierte junge Menschen in ihrem Arbeitsprozess begleiten, beraten und individuell fördern. Das über Jahre hinweg bewiesene Durchhaltevermögen, das Höchstmaß an Motivation und der unermüdliche zeitliche Aufwand sind Wegbereiter für Jennifer Schönfisch, Josephine Geuenich und Ferdinand Reineke gewesen.

Jennifer Schönfisch hat sich mit dem Thema „Mit Plakaten Wirkung erzielen – Medienpsychologische Prinzipien bei der Gestaltung von Ausstellungsplakaten“ beschäftigt. Im Rahmen des Projektkurses „Museographie“ hat sie sich schon früh mit ausstellungstechnischen Belangen auseinandergesetzt und sich interessiert die Frage gestellt, welche psychologischen Prinzipien genutzt werden können, um gelenkt Aufmerksamkeit zu erzielen. Im Fazit ihrer 40-seitigen Arbeit schlussfolgert sie, dass einen „ … entscheidenden Einfluss Gestaltungselemente wie Farben, Formen, Bilder und Flächen auf die Wirkung ausüben, wie wichtig jedoch auch die angemessene Themenwahl bei Beeinflussung des Betrachters ist. Zusätzlich sollte der Designer grundlegende Prinzipien der Wirkung beachten, um als erstes die Aufmerksamkeit des Rezipienten zu erlangen und diese dann auch zu sichern, damit überhaupt eine Wirkung entstehen kann. Jedoch darf neben diesem Grundwissen die Stellung der Intuition nicht vernachlässigt werden, denn wie wir verschiedene Gestaltungen wahrnehmen, hängt stark von unserem Unterbewusstsein ab. Daher besteht ein erfolgreicher Designprozess sowohl aus geplanter, als auch intuitiver gestalterischer Arbeit.“

Das Produkt, das aus den theoretischen Vorüberlegungen entstanden ist, hat das Pädagogische Museum der Universität Bielefeld zum Thema. Auf die geplante Wiedereröffnung im Haus der Geschichte NRW in Düsseldorf wird hier in eindrucksvoller Weise hingewiesen.

Jennifer Schönfisch: Ausstellungsplakat zur Wiedereröffnung des Pädagogischen Museums
Jennifer Schönfisch und Betreuer Heiner Koop vor der Präsentationswand (Foto: J. Schönfisch)

Josephine Geuenich arbeitet bereits seit der 10. Klasse im Bereich Kleidung und Geschichte. Sie hat im Rahmen des Schuljubiläums 2018 an der Publikation „Einblicke in die Welt der Schule“ mit einem eigenen Artikel mitgewirkt und zur Ausstellung „Schule in der Karikatur“ eigens Kinder- und Schülerkleidung genäht. In ihrem Textbeitrag zur Jubiläumsschrift schreibt sie, dass „die Vorstellung von Kindheit” sehr verschieden sei und „ihren eigenen Begriff dessen, was »Kindheit« bedeutet“ habe. Genau dies hat sie dazu bewogen, eine Epoche näher zu untersuchen.

Josephine Geuenich mit ihrer Puppe „Hildegard“ und dem Leiter des Pädagogischen Museums, Herrn Dr. Wehrmann, im historischen Ambiente (15.1.2018, Foto: H. Koop)
Madeleine-Melanie de Baberie de Cour-teilles, 1759; Gemälde aus dem Herzog Anton Ulrich Museum, Braunschweig 2019 (Foto: J. Geuenich)

Ihre Lernleistung trägt den Titel „Kinderkleidung im Rokoko im Spiegel gesellschaftlicher Strukturen – Eine Quellenanalyse unter pädagogischen Aspekten“ und untersucht die Rolle des Kindes in dieser Epoche anhand ausgewählter Bilddokumente und zeitgenössischer Originalexponate aus dem musealen Bereich. In ihrer Schlussbetrachtung stellt sie fest, „dass Kinder durch Kleidung in das Leben der Erwachsenen gedrängt wurden“. Eindrucksvoll belegt Josephine Geuenich, dass die Kleidung als ein Mittel der Erziehung eingesetzt wurde. „Sie vermittelt dem Kind die Maßstäbe der Gesellschaft“, heißt es in ihrer 30-seitigen Arbeit.

Ferdinand Reineke hat sich in die Welt der Mathematik begeben: „Überwachtes maschinelles Lernen – Vergleichender Überblick verschiedener Klassifikationsverfahren“ ist der Titel seines 49-seitigen Werkes. „In der heutigen digitalen Welt werden in fast jeder Situation des Lebens Daten über uns gesammelt und gespeichert. Doch die Daten allein sind nicht das Wertvolle, um das sich Unternehmen, Staaten und Wissenschaftler bemühen. Vielmehr ist es das Wissen, welches man mit Hilfe dieser Daten generieren kann. Aus genau dieser Motivation, neue Erkenntnisse aus gesammelten Daten zu gewinnen, geht das Feld des maschinellen Lernens hervor und verknüpft dabei Wissen aus den Bereichen Mathematik, Statistik und Informatik“ heißt es in seiner Einleitung.

Analog trifft Digital – Ferdinand Reineke, ein „groß-artiger“ Mathematiker, mit Betreuer Christian Michalke (v.l., Foto: J. Schönfisch)
Trennung von Beispieldaten im dreidimensionalen Raum (Graphik: F. Reineke)

Nach den umfassenden theoretischen Ausführungen, die in dieser Form grundlegend und notwendig sind, um die praktische Nutzung der mathematischen Theorie in der Praxis erkennen und interpretieren zu können, folgt aus aktuellem Anlass die (potentielle) Anwendung der Klassifikationsverfahren im Gesundheitswesen. Grundlage des Anwendungskapitels ist ein Datensatz mit Patienteninformationen etwa über den Blutdruck, den Cholesterinspiegel, den Blutzucker, usw. Auf Grundlage dieser Informationen soll mit Hilfe eines geeigneten Algorithmus, der auf einem der vorgestellten Klassifikationsverfahren gründet, festgestellt werden, ob jeweils eine Herzkrankheit vorliegt oder nicht.

Dass Ferdinand Reineke seine Ergebnisse übergeordnet einzuordnen versteht, lässt folgendes Fazit erkennen: „Die Ergebnisse der Klassifikationsanalyse zeigen, dass ein Einsatz von maschinellem Lernen bei der Diagnose von Herzkrankheiten große Möglichkeiten bietet. Eine Herzkrankheit mit einer Genauigkeit von über 90% zu diagnostizieren, ohne dass dabei die Fachkenntnisse eines Arztes benötigt werden, ist dafür fast schon Beweis genug. Natürlich ersetzt eine Diagnose durch einen Algorithmus keinen Arztbesuch, vor allem nicht auf Basis einer Beispielanalyse. […] Dennoch machen sie deutlich, in welchem Umfang maschinelles Lernen in der Medizin bereits jetzt eingesetzt werden könnte […]“. 

Den Abschluss des Prüfungsverfahrens bildete am 3. Juni das Kolloquium mit Präsentation der Ergebnisse. Damit ging für die Kandidaten Jennifer Schönfisch, Josephine Geuenich und Ferdinand Reineke zusammen mit ihren Betreuungslehrern Stefanie Haueisen, Heiner Koop und Christian Michalke eine interessante, ertragreiche und fruchtbare Zusammenarbeit zu Ende, die, so hoffen alle Beteiligten, noch lange Zeit nachwirken und zum Erinnerungsort wird. Dass dies so sein kann, beweist die 2016 am Gymnasium Nepomucenum abgelegte Lernleistung von Dana Martinschledde.

Wir wünschen den drei besonders engagierten und begabten jungen Menschen eine ebenso große Resonanz und den damit verbundenen Erfolg.

Text: Stefanie Haueisen, Christian Michalke, Heiner Koop

Nach bestandener Prüfung: Gruppenbild im „Corona-Abstand“ (v.l.): Ferdinand Reineke, Stefanie Haueisen (Projektleiterin „Museographie und Betreuungslehrerin), Jennifer Schönfisch, André Bittner (Oberstufenkoordinator), Josephine Geuenich, Johanna Alheit (Fachschaft Kunst und Mathematik), Christian Michalke (Betreuungslehrer). (Foto: J. Schönfisch)

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